Sara Atzmon ist über 80 Jahre alt und eine der wenigen Überlebenden des Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen der INTEGRATIVEN Realschule plus in Vallendar sowie die beiden Klassenlehrerinnen Christiane Linden und Dorothea Kropp-Molkenthin schauen sehr interessiert auf die kleine Frau mit dem gebeugten Rücken, die am Freitagmorgen vor ihnen im jeweiligen Klassenraum der 10a und 10b steht.

Sara Atzmon möchte den Jugendlichen zunächst ihre Geschichte erzählen, bevor si e selbst malen sollen, um ihre Gefühle zu Papier zu bringen. Es ist ganz still im Klassenraum als sie den Schülerinnen und Schülern die Frage stellt: „Was wisst ihr über den Holocaust, was habt ihr von der Geschichte gehört?“ Obwohl ihr Deutsch nicht perfekt ist, hören die Jugendlichen konzentriert zu, wenn sie von Enteignung durch die Nazis, Deportation und Demütigungen durch die KZ-Wächter erzählt. Dass sie nicht mehr aufrecht gehen kann, seit sie im KZ über eine lange Zeit gezwungen war, zu einem Kinderschuh einen hochhackigen Damenschuh zu tragen und dadurch das schwere Rückenleiden davon getragen hat, erfahren die Zehntklässler in einem Dokumentarfilm, den sie Tage zuvor angeschaut haben. In dem Film „HOLOCAUST light – gibt es nicht!“ wird nicht nur die unglaubliche Überlebungsgeschichte der damals  12-jährigen Sara erzählt, er schlägt auch den Bogen zur heutigen Generation in Deutschland und Israel. Der Film schildert den Besuch der Orte ihres Leidens in Deutschland fast 70 Jahre später zusammen mit ihrer Enkelin Shahaf. Dabei begegnet sie Jugendlichen, die nichts über den Holocaust wissen und Erwachsenen, die nichts mehr von den Verbrechen der Nazis und den Folgen für die Opfer hören wollen. „Nein, ich hasse niemanden, ich will nur, dass man mir in die Augen schaut, wie Menschen sich anschauen,“ erklärt sie den Jugendlichen der Vallendarer Konrad-Adenauer-Schule. Sie ruft zu Toleranz und Mitmenschlichkeit auf und bezeugt, wie wichtig das Erinnern und das Lernen aus  der jüngsten Vergangenheit ist.

Seit vielen Jahren versucht Sara Atzmon ihre Erlebnisse und Gefühle zu Papier zu bringen. Mit ihren Bildern gelingt es ihr, das auszudrücken, was Worte nicht fassen können: den Horror des Konzentrationslager, den Schmerz, die Angst und Trauer, die sie erleben musste.

Einige Abbildungen ihrer Werke hat ihr Mann Uri Atzmon an die Tafel im Klassenraum geheftet. Jetzt fordert sie die Schülerinnen und Schüler auf, aus den vorhandenen Materialien ein möglichst emotionales Bild zu erstellen. Wasserfarben, Acrylfarbe, bunte Kreiden – Sara Atzmon geht an die Gruppentische und steht den Jugendlichen mit Ideen, Verbesserungsvorschlägen aber auch mit Kritik zur Seite.

Einige Schülerinnen und Schüler orientieren sich an den ausgestellten Bildern an der Tafel – Szenen mit Eisenbahnschienen und –schwellen, mit Güterwagons, mit Stacheldraht und Lagergebäuden. Am Ende der Unterrichtseinheit hat jedes Schülerbild seine eigene Geschichte.

„Es war sehr interessant, weil wir von neuem, sehr grausamen Aspekten des Lebens im Konzentrationslager erfahren haben und weil wir die Möglichkeit hatten, unsere eigenen Gefühle durch das Malen zum Ausdruck zu bringen“, waren die Aussagen der Jugendlichen der Klassen 10 am Ende des Workshops mit Sara Atzmon.

Die gemalten Bilder werden nun in der Schule ausgestellt, so dass sich die anderen Klassen über die Thematik dieses Workshops informieren können.

Zum Schluss der Veranstaltung gedenken die Schülerinnen und Schüler in einer Schweigeminute an die Opfer des Holocaust, während Sara Atzmon auf ihrer Mundharmonika die israelische Nationalhymne spielt. Der Dank der Jugendlichen gilt Sara und Uri Atzmon – sie verabschieden beide mit einem großen Applaus.